Eine Stadt für die Reichen

Eine Stadt für die Reichen

Im Jahr 1960 wurde die Hauptstadt Brasiliens von Rio de Janeiro nach Brasília verlegt, einer zu hundert Prozent neu aus dem Boden gestampften Stadt, die als Musterbeispiel für eine sozial gerechte Stadtplanung gelten sollte. Als ich meine spanische Freundin Raquel besuchte, deren Wohnung im ursprünglich geplanten Stadtgrundriss, dem sogenannten plano piloto lag, merkte ich nichts von der einst angepriesenen sozialen Vielfalt. Tatsächlich wohnen heute Millionen armer Menschen in den ursprünglich für die Bauarbeiter vorgesehenen Satellitenstädten. Sämtliche Straßenverkäufer und andere Beschäftigte des informellen Sektors müssen folglich täglich in die Stadt reisen, um den Lebensunterhalt ihrer Familien hart zu erkämpfen. Dieser Mann, der am Straßenrand saß und möglicherweise Lotterielose verkaufte, schien die Risse in den idealistischen Zielen dieses städtischen Experiments zu offenbaren und spiegelte den Kontrast zwischen den Klassen innerhalb Brasilias wider.

Brasilia (Brasilien), März 2009